Safer Internet - Erfahrungen
• Thomas Mutter betritt das Zimmer ihres 12-jährigen Sohnes nur mehr selten. Wenn er in ein Spiel - am liebsten „The Fast and the Furious" - vertieft ist, ist er ohnehin nicht mehr ansprechbar. Viele Stunden verbringt er dadurch ausschließlich in seinem Zimmer und die Mutter hört und sieht nichts mehr von ihm. Wenn sie mit ihrem Sohn etwas besprechen will, besteht ihre einzige Chance darin, den „Kasten" gewaltsam mit dem Ein- und Ausschalter zu inaktivieren. Wie das langsame Herunterfahren geht, ist ihr nicht geläufig. Thomas reagiert dann erst recht erbost und ist vorerst einmal nicht zu einem Gespräch bereit. Die Schule wird mittlerweile schon sträflich vernachlässigt. Das äußert sich in schlechten Noten und zahlreichen Einladungen der Mutter in die Schule. Am Vortag ist es zu einem besonders großen Krach zwischen Mutter und Sohn gekommen aufgrund einer schriftlichen Mahnung für ein kostenpflichtiges Computerspiel unter Androhung gerichtlicher Schritte. Thomas behauptet, dass er zwar schon öfter Spiele heruntergeladen hat, dass diese aber immer gratis gewesen seien...
• Beide Eltern betreten das Kinderzimmer, das die 10-jährige Sophie mit ihrer 13-jährigen Schwester teilt, täglich. Seit ihrem 10. Geburtstag darf sie 2 Stunden ins Internet. Ihre Eltern haben bedenkliche Seiten über das Jugendschutzprogramm gesperrt und unterhalten sich immer wieder mit ihren Kindern über deren Tag und somit auch über das, was sie im Internet besuchen. Es wurden auch einige Regeln aufgestellt, so ist es beiden Töchtern untersagt, sich in Facebook oder Twitter anzumelden. Ab und zu blicken sie ihren Kindern auch über die Schulter und stellen fest, dass diese sich gerne mit anderen per Chat unterhalten und interaktive Spiele spielen. Die Veränderung von Sophie ist besonders der Mutter recht schnell aufgefallen - Sophie hat sich schlagartig in sich zurückgezogen und hat gedrückt und belastet gewirkt. Anfangs will sie nicht mit der Sprache herausrücken, gesteht dann aber doch, dass sie seit einiger Zeit „blöde" SMS erhält. Mit Mühe gelingt es den Eltern, Sophie zu bewegen, ihnen diese SMS zu zeigen, wobei beide auf das höchst schockiert sind. Der Inhalt sind wüste Beschimpfungen, Aufforderungen sexueller Natur und sexistische Diskriminierungen. Endlich gibt Sophie zu auch über eine andere Seite mit Hilfe ihrer Schwester eingeloggt zu sein und dort sämtliche Daten und auch ihre Handynummer angegeben zu haben...
Eine Menge guter, aber auch vielfältige schlechte Erfahrungen machen Kinder und Jugendliche im Internet. Eine Vielzahl der Eltern sind über die Gefahren des Internet denkbar unzureichend informiert, aber auch wenn unser Informationsstand gut ist, hinken wir den schnellen Entwicklungen, die im Internet geschehen, ständig hinterher. Eine Schutzmaßnahme, die eine Zeit lang ausreichend war, wird in kürzester Zeit nicht ausreichend. Man nehme nur die Entwicklung des Internetzugangs per Handy, der Jugendschutzinstallierungen, die am PC ein gutes Mittel waren, denkbar erschwert. Bei Jugendlichen ist Internet am Handy derzeit aber sehr beliebt. Auch wenn Eltern es schaffen, das Leben mit dem Internet zuhause so zu gestalten, dass die Kinder nicht auf Abwege gelangen können, so gelingt vielen Jugendlichen bei Freunden sehr oft ein unbegrenzter Zutritt. Dabei können Eltern die Nutzung der vielen Möglichkeiten auch schlecht ganz unterbinden, man würde sofort in die Rolle des „ewigen Vermiesers" und „ständigen Schwarzsehers" rutschen. Die Realität der Kinder ist, dass sie bei weitem überwiegend positive Erfahrungen machen und auch viel Spaß und andere Vorteile, so auch schulische, durch die Nutzung haben. Diese entdecken sie rasch und genießen auch, in mancher Hinsicht den Eltern überlegen zu sein. Ebenso Realität ist es, dass Erwachsene versuchen, um jeden Preis Geld zu machen und wer lässt sich leichter verleiten als unerfahrene Kinder und Jugendliche?
Also was tun? Was können wir unseren Kindern zutrauen, wo müssen wir sie einschränken? Was sollen und können wir möglichst vollständig unterbinden?
Jede Entwicklung erfordert eine laufende Auseinandersetzung der Eltern damit, sobald es die Kinder betrifft. Ein gutes Beispiel bietet die Verkehrserziehung: Vor 50 Jahren gab es im ländlichen Bereich wenige und schlechte Straßen, der Schulweg war einigermaßen sicher und über Verkehrserziehung musste sich die ländliche Bevölkerung kaum Gedanken machen. Heute bleibt kein Elternteil mehr vor der Angst um seine Kinder verschont, sobald diese das Haus verlassen, zu viele Kinder sind im Straßenverkehr schon verletzt oder sogar getötet worden.
Auch die rasende Entwicklung des Internet wird Opfer fordern. Es bleibt unsere Verantwortung als Erziehungsberechtigte, als Berater, als Pädagogen, als Politiker, unsere Kinder so gut wie möglich zu unterstützen und zu begleiten, das wird eine intensive Auseinandersetzung mit den nicht mehr so neuen Medien in den nächsten Jahren notwendig machen.